WORKSHOP ZWISCHENKRIEGSZEIT

Pressemitteilung des Jülicher Geschichtsvereins 1923.V.

Geschichtsvereine planen internationales Projekt zur ZwischenkriegszeitWorkshop zeigt historisches Panorama auf
Jülich, 13. Juli 2020. Vor zwei Jahren erregte die Fernsehserie „Babylon Berlin“ große Aufmerksamkeit. Sie ließ das Berlin der 1920er Jahre wiederauferstehen, mit all seinem Reiz, aber auch den politischen Konflikten und dem sozialen Elend. Eine Erkenntnis für viele Zuschauer: Das, was die Menschen damals bewegte, ist uns gar nicht so fremd. Weil das nicht nur für Berlin gilt, sondern auch für das Rheinland, unternimmt der Jülicher Geschichtsverein nun gemeinsam mit dem Opladener Geschichtsverein den Versuch, diese Zeit den Menschen in unserer Region aus heimischer Perspektive näherzubringen.

Als Startschuss für die Arbeit an dem Projekt „StadtRäume – Europäische Städte als kulturelle Räume in der ‚Zwischenkriegszeit‘ (1918–1939)“ haben die beiden Vereine, die bereits seit längerer Zeit erfolgreich miteinander kooperieren, am vergangenen Wochenende einen Workshop in der Thomas-Morus-Akademie (Bensberg) veranstaltet. Dieser wurde von den Vorsitzenden der beiden Vereine, Guido von Büren und Michael D. Gutbier, sowie Prof. Dr. Wolfgang Hasberg von der Universität Köln geleitet. In mehreren Vorträgen und in lebhafter Diskussion zeichneten die Workshop-Teilnehmer ein vielfältiges Panorama, insbesondere der 1920er Jahre. So skizzierte Prof. Dr. Stefan Goch (Düsseldorf) die Herausforderungen, die sich den zahlreichen, oft binnen weniger Jahrzehnte auf der „grünen Wiese“ emporgeschossenen Industriestädten an Rhein und Ruhr stellten. Der damals herrschende Wohnungsmangel und die oftmals noch unzureichende Infrastruktur ließen durchaus Parallelen zu heutigen Verhältnissen erkennen. In Kunst und Kultur brach sich die Moderne damals endgültig Bahn (Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann, Düsseldorf). In Jülich war es der Stadtbaumeister Carl Andereya, der neue städtebauliche Akzente zu setzen versuchte und dabei gleichzeitig die Altstadt in ihrem Erscheinungsbild zu bewahren trachtete. Ein Höhepunkt seines Wirkens bildete der Bau des Amtsgebäudes der Reichsbank (später Landeszentralbank) am Neusser Platz, der 1929 mit einer bemerkenswerten Kunst- und Werkbundausstellung eröffnet wurde.

Interessant auch, wie sich allgemein die Städte im Rheinland in der großen Hyperinflationskrise von 1923 als Krisenmanager an der „Basis“ profilierten. Das lässt an die anspruchsvollen Aufgaben der Kommunen in der Corona-Krise denken (Prof. Dr. Christoph Nonn, Düsseldorf). Bei allem Aufbruch blieb manches jedoch auch beim Alten, zumindest auf den ersten Blick: Im ländlichen Raum etwa gaben noch immer die altehrwürdigen Vereine den Ton an. Wer hier Teil der Dorfgemeinschaft werden wollte, musste erst einmal Mitglied in einem der traditionellen Vereine werden. Ein vielfach beachtetes Großereignis der 1920er Jahre waren die „Rheinischen Jahrtausendfeiern“. Sie sollten 1925 mithilfe eines durchaus waghalsigen Rückgriffs auf das Frühmittelalter die Zugehörigkeit des Rheinlands zu Deutschland betonen, schließlich war dieses zu diesem Zeitpunkt noch von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs besetzt.

Historische Ausstellungen und Vorträge, aber auch Festumzüge, Sportwettkämpfe oder Theateraufführungen lockten damals in vielen Städten und Gemeinden die Menschen in Massen an, was sich auch für Jülich gut nachvollziehen lässt (Jörn Wenge, Leverkusen). In den intensiven Diskussionen zu den einzelnen Vorträgen wurden zahlreiche Fragestellungen aufgeworfen, die nun vielleicht im weiteren Verlauf des Projekts bearbeitet werden können. Dieses ist auf drei Jahre angelegt und soll auch eine starke europäische Perspektive entwickeln. Für diese setzte sich Dr. Markus Prutsch ein, der als Verantwortlicher Wissenschaftler und Forschungsadministrator im Europäischen Parlament tätig ist. Das war ganz im Sinne der beiden Geschichtsvereine. Neben Vertretern von Institutionen wie dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) nahmen schließlich auch Gäste aus den Leverkusener Partnerstädten Racibórz (Oberschlesien/Polen) und Villeneuve d‘Ascq (Frankreich) teil. Mit ihnen und Vertretern weiterer Partnerstädte sollen die inhaltlichen Aspekte des Projektes auf einem Workshop im Herbst dieses Jahres weiter geschärft werden. Auch ein Film ist angedacht. Der wird im Ergebnis sicherlich nicht so opulent werden wie „Babylon Berlin“, soll aber nicht minder aufschlussreich sein. 

Jörn Wenge   

Ein vollständiger Mittschnitt des Workshops findet sich unter: https://www.leverkusen.com/presse/db/presse.php?view=00045022

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